Die Anreise nach Zermatt (1600m) gestaltet sich nicht besonders lang, wir kommen zu zweit vom Skifahren auf der Belalp und sind schon um zehn Uhr wiedermal im autolosen Bergsportdorado der Schweiz. Dort werden erstmal die Skischuh geschnürt und sich auf den Weg durch den Ort gemacht. Um die Uhrzeit ist noch ganz schön was los, die Blicke der Leute sind entweder verwundert oder glasig 🙂 Am Südende des Ortes treffen wir auf die Piste, welche von Furi herunterführt, schnallen die Ski und Felle an und machen uns auf in die mondbeschienene Nacht. Über leichte Steigungen führt die frisch präparierte Piste schnell nach Furi (1867m), wo wir es uns am Fusse der überdimensional groß geratenen Liftstation auf einem trockenen Fleck bequem machen.
Der Wecker klingelt um 6 Uhr, die Sachen sind rasch gepackt, einmal ins Butterbrot gebissen und los gehts, erstmal runter auf die andere Seite des Baches (Schweigmatten). Nach einigem Herumgerate entscheiden wir uns für den ersten Weg rechts, entlang des Baches. Hinter einem Gewerbebau finden wir dann die Spuren rein in die Gornerschlucht. Wie das halt so ist, verlieren wir die dann auch recht schnell und steigen etwas zu hoch, dank GPS findet man sich aber doch schnell zurecht (“die Strasse ist rechts von uns”). Es sieht halt doch anders aus als im Sommer :). Um eine Biegung Richtung Osten öffnet sich der Blick bei strahlendem Wetter auf die engste Stelle der oberen Gornerschlucht, welche im Sommer meistens unpassierbar ist. Nun liegt aber meterweise Schnee darin, und wir rutschen uns auf den Abfahrtsspuren hinauf.
Dahinter öffnet sich ein Blick, bei dem jedem Menschen auf der Welt klar sein soll, was für ein Pups er gegen die Natur ist. Vor sich die Zunge des Gornergletschers, schaut man auf (von links nach rechts in Laufrichtung) Nordend und Dufourspitze, Parrotspitze, Liskamm (alle höher als 4500m), Roccia Nera und Breithorn (höher als 4100m) inklusive der mächtigen Gletscherströme, die von dort oben herunterfliessen.
Wir folgen den Spuren auf den Gornergletscher, welche uns zuerst durch einen surreal wirkenden Eiscanyon führen, der im Sommer Schmelzwasser führt. Danach betritt man die nahezu spaltenlose südliche Hälfte des Gletschers und läuft schnurstracks auf das Tagesziel, die Monte-Rosa-Hütte zu. Es geht kaum merklich bergauf. Die Sonne knallt, sehr gut Eincremen ist Pflicht. Uns geht auf, dass der Multi-Fuel-Kocher nicht mit dem Brennspiritus betrieben werden kann, da er nur in der flüssigen Phase brennt. Das ist natürlich jetzt ganz schön blöd, weil man ohne Wasser im Winter und bei diesem sonnigen Wetter gar nicht weit kommt, schon gar nicht in dieser Höhe. Aber mit den Reserven gehen wir erstmal weiter Richtung Hütte. Kurz bevor man den Gletscher verlässt, muss noch der unterste Eisbruch des Grenzgletschers gequert werden, was man lieber schnell machen sollte. Die Randkluft ist perfekt eingeschneit und wir steigen durch die Abfahrtsspuren hinauf auf den Moränenkamm, wo nach zehn Minuten auch schon die Hütte steht (von Furi ca. 7h mit langer Pause).
Für alle die noch nicht da waren: Diese Hütte ist kein normaler Berghüttenbau aus Steinen, die halt grad rumlagen, Klischeeverzierungen und Steinbockhörnern an der Wand. Sehr moderner Bau und (soweit ich das seh) meisterhafte Schreinerarbeit (wer lässt sich solche Winkel einfallen??) formen den sogenannten “Bergkristall”, mit Alublenden verkleidet und gen Süden hin komplett versolarzellt. Der Innenraum lässt sich nur erahnen, die Hütte ist nämlich noch zu, weswegen sich gerade alles im Winterschutzraum abspielt.
Gleichzeitig mit uns kommen noch vier Italiener von der Dufourspitze zurück (wegen zuviel Wind nicht auf dem Gipfel) und laden uns in gebrochenem Englisch prompt zum Pasta-Essen ein. Unser Plan bis hierher war eigentlich ein Biwak etwas weiter oben, wir haben alles dabei, Isomatte, Schlafsack, Kocher und Essen. Nach Abwägen der Vorteile des Winterraumes (Gaskochplatten, warmer Raum zum Trocknen, nette Mitbewohner) mit dem Preis, welcher mit 28 Franken pro Person eigentlich noch akzeptabel ist, entscheiden wir uns, einfach hierzubleiben. Es gibt nen Schuhraum, eine Toilette (mit Pissoir!), einen Flur für die Skier und eben den Schlafraum mit Kochutensilien usw… . Etwas später treffen auch noch ein Engländer und ein Italiener ein, und so wird es recht gemütlich. Wir sonnen uns auf der Terrasse, geniessen die Aussicht und schnallen nochmal an, um die ersten paar Höhenmeter von morgiger Route zu erkunden (obwohl das sehr offensichtlich ist). Zu dritt (noch ein flotter Italiener) gehen wir nachmittags noch auf ca. 3300m, und hatten beim Zurückfahren noch butterweichen Schnee unter den Skiern.
Der Abend wird denkbar luxuriös, die Italiener kochen Nudeln für alle, holen kurzerhand Tisch und Bank aus dem Schuhraum in den Schutzraum und jeder steuert noch das bei, was er eben noch in seinem Rucksack findet. So haben wir Nudeln mit Käsesoße, Wurst, Schinken, Käse, Schokolade, ein Fläschen Sambucca, Kaffee etc. . Da kann man schonmal ein paar Franken investieren, anstatt schon seit zwei Stunden im Schlafsack zu liegen und auf den Morgen zu warten…
Der Wecker geht bei uns Zweien um 5 Uhr, die Italiener wollen erst später losziehen. Entspannt frühstücken wir ein Müsli, schultern die gepackten Rucksäcke und machen uns auf in die Kälte. Der Morgen fängt ganz langsam an zu grauen, es geht kein Wind, der Himmel blaut, und als wir die Stirnlampen ausschalten, befinden wir uns schon am Umdrehpunkt vom Tag davor. Die Dimensionen auf dem Grenzgletscher sind einfach so aus der Welt, dass wir einfach immer wieder staunen müssen. Zur Rechten steigt die Nordwand des Liskamms hinauf in den Himmel, vor uns liegen mehrere gewaltige Stufen von Eisbrüchen. Der Gletscher ist perfekt eingeschneit, wir brauchen kein Seil, die Steilstufen sind auf den Abfahrtsspuren jeweils rasch genommen.
Wir feiern schon diesen perfekten Skitag, als wir, die Parrotspitze direkt voraus, die ersten Windstösse abbekommen. Nach dem letzten Eisbruch vor der Linkskurve in Richtung Colle Gnifetti fängt der Ostwind an zu blasen, und wir knüpfen die Jacken zu. Jetzt haben uns auch zwei der Italiener eingeholt, und zu viert kämpfen wir gegen den Wind den letzten Hang hinauf. Das geht dann so: Fünf Schritte nach vorne, drei zurück rutschen, Ausruhen, von vorne. Die eisigen Fallwinde auf dem Gletscher machen ein Vorwärtskommen nahezu unmöglich. Die Eiszapfen im Gesicht wachsen, und knapp vor dem Colle Gnifetti, auf ca. 4420m, entscheiden sich erst die Italiener, fünf Minuten später auch wir, zur Umkehr. Die Capanna Margherita schaut von ihrer Signalkuppe auf uns herab, schade, dass wir nicht mehr ganz hoch kommen. Das Abfellen bei Windstärke Megastark macht wieder mal richtig Spaß. Bis zum Colle Gnifetti haben wir so mit Pausen ungefähr 6 Stunden gebraucht (ca. 1500 Hm).
Die Abfahrt gestaltet sich zu Anfang etwas schwierig, kniehohe brettharte Windkanten wechseln sich mit butterweichen Triebschneemulden ab. Aber nach zehn Minuten, hinter der Rechtskurve (Süd -> Westhang) lassen wir den Wind hinter uns und können genussvoll den vorhandenen Abfahrtsspuren folgen. Hier ist auch der Schnee besser. Nacheinander fahren wir durch die Gletscherbrüche, eindrucksvoll in der überdimensionalen Rinne zwischen Liskamm (4527m) und Dufourspitze (4634m). Wir treffen die nächsten zwei Italiener, die dann sogar noch im Pass zwischen Signalkuppe und Parrotspitze umdrehen. Die Landschaft ist atemberaubend, und kurz vor der Hütte wird dann auch der Schnee wunderbar zum Durchsurfen.
An der Hütte angekommen, schiessen die Italiener mal wieder den Vogel ab, indem sie uns praktisch sofort bei Ankunft zum Pastaessen einladen. Sowas lehnt man natürlich nicht gerne ab, und so stärken wir uns und warten auf die Ankunft der anderen Zwei. Gegen 15 Uhr machen wir uns dann zu Sechst und vollgepackt auf die Abfahrt Richtung Zermatt, der Aufstiegsspur über den Gornergletscher folgend. Die Sonne knallt, und hier unten ist dann auch die Wärme zu spüren. Auf den langen flachen Passagen muss man trotzdem nur ein paar mal ein wenig anschieben, ansonsten gleitet man entspannt gegen die Gletscherzunge zu. Durch die eindrucksvolle Gornerschlucht rutschen wir dann zurück in die Zivilisation, wo wir oberhalb von Furi auf die Piste treffen. Hier verabschieden wir uns von den Kameraden, welche direkt nach Zermatt abfahren, während wir noch an der nächsten Schneebar mit Liegestühlen Halt machen und die letzten Sonnenstrahlen nach dieser Hammer Tour bei einem kühlen Radler geniessen.
Die Abfahrt nach Zermatt ist dann schnell gemacht und gegen 18 Uhr trudeln wir am Bahnhof ein, wo wir noch eine Stunde Zeit haben und wie immer das touristische Treiben Zermatts beobachten und kommentieren 🙂
Von Zermatt zur Monte-Rosa-Hütte: ca. 1300 Hm (lange flach auf dem Gornergletscher)
Von der Monte-Rosa-Hütte zur Signalkuppe (4554m): ca. 1600 Hm (das ist ziemlich viel in dieser Höhe!)